Die zweite Pfarrversammlung zur Zukunft am Standort St. Johann Baptist
In konstruktiver Atmosphäre haben am Mittwochabend, 12. Dezember, gut 120 Männer und Frauen aus unserer Pfarrei in den Räumen des Gymnasiums am Stoppenberg über die Zukunft des Standorts St. Johann Baptist diskutiert. Nach der emotional sehr aufgeladenen und zeitweise turbulenten Pfarrversammlung am 21. November in unserer Pfarrkirche stand in der Schule diesmal das sachliche Gespräch im Mittelpunkt, um die aufgeworfenen Fragen rund um den Neubau des Marienhospitals mit einer integrierten Gemeinde-Kirche auf dem Gelände der bisherigen St.-Johann-Baptist-Kirche zu klären und gemeinsam Perspektiven für die Gemeinde vor Ort und die gesamte Pfarrei zu entwickeln. Neben der Beantwortung der Fragen, die die Initiative „Rettet St. Johann“ der Pfarreileitung vorab geschickt – und am Mittwoch bei der fast zeitgleich zur Pfarrversammlung angesetzten Mahnwache noch einmal vorgetragen hat – standen zahlreiche weitere Themen auf der Agenda. Diese hatten Pfarr-Angehörige in den vergangenen Wochen als Fragen oder Diskussionsanregungen eingebracht, nun wurden sie in insgesamt sieben Gesprächsforen diskutiert und beantwortet.
Diskussion über die Schenkungsurkunde
So standen in einem dieser Foren der Jurist Rudolf Gewaltig und der Archivmitarbeiter Severin Gawlitta aus dem Bischöflichen Generalvikariat Rede und Antwort zu Fragen rund um die viel diskutierte Schenkungsurkunde für unsere Pfarrkirche und das Kirchenvorstandsrecht. Historiker Gawlitta erläuterte anhand von Quellen aus dem Bistumsarchiv sowie auf Grundlage des Urkundenbuches unserer Pfarrei den Inhalt der Schenkungsurkunde. Zwar werde in den archivierten Unterlagen die Absicht des Stifters, Johann Lindemann, die von ihm erbaute Kirche als „unveräußerliches Eigentum“ der katholischen Kirchengemeinde übergeben zu wollen, zitiert. Diese Formulierung sei aber weder in den Entwürfen noch in der endgültigen, rechtskräftig fixierten Fassung der Schenkungsurkunde vom 19.07.1862 enthalten, so Gawlitta.
Kirchenvorstand entscheidet über Anfechtungen
Bezüglich der angefochtenen Kirchenvorstandswahl und der Frage, ob der Verkaufsbeschluss des Kirchenvorstands überhaupt rechtens war, gab Gewaltig lediglich allgemeine Hinweise, weil diese Fragen im Rahmen des regulären Verfahrens nach der Wahlordnung in den kommenden Tagen vom Kirchenvorstand selbst beantwortet – und die Antworten dann zunächst den Beschwerdeführern mitgeteilt werden. Gewaltig verwies mit Blick auf die Anfechtung wegen einer zu geringen Kandidatenzahl bei der Kirchenvorstandswahl indes darauf, dass bei Schließung der Kandidatenliste fünf Wochen vor dem Wahltermin noch mehr Kandidaten auf der Liste standen als Mandate zu besetzen waren. Zwei Kandidaten hätten erst zweieinhalb Wochen vor dem Wahltag – also auch nach dem letzten Termin für die Einreichung einer Ergänzungsliste – ihren Rücktritt von ihrer Kandidatur erklärt.
Die meisten Teilnehmer der Pfarrversammlung besuchten das Gesprächsforum, in dem Contilia-Kommunikationschef Thomas Kalhöfer und der Planungschef der Krankenhausgruppe, Markus Rau, die Pläne rund um den Klinik-Neubau präsentierten. Die neue Klinik soll ihren Patienten bei ihrem geplanten Start im Jahr 2025 modernste medizinische Standards bieten. Rau machte deutlich, dass der Klinik-Neubau aus Sicht von Contilia am Standort des Marienhospitals nur unter Einbeziehung des Kirchengrundstücks möglich ist.
Krankenhaus benötigt 28.500 Quadratmeter Grundfläche
Anders als bei vielen bestehenden, älteren Krankenhäusern stehen heute die Bedürfnisse des Patienten im Zentrum einer modernen Krankenhausplanung. So sieht der zukunftweisende Entwurf des neuen Krankenhauses unter anderem die Trennung der so genannten nichtinvasiven und invasiven Bereichen vor. Zu den nichtinvasiven Bereichen gehören dabei die Zentrale Notaufnahme mit Unterbringungsmöglichkeit von Rettungs- und Notarztwagen, klinische Ambulanzen, die komplette Funktionsdiagnostik (Radiologie, Ultraschall, EKG, Labor u.w.), Aufnahmestation, Arztdienst, Patientenaufnahme, Wartebereich, Information, Warendisposition und Logistikflächen. Im invasiven Bereich befinden sich die Operationssäle einschl. Holdingarea, Intensiv- und IMC-Stationen, Kreißsäle, Endoskopie, Herzkatheterlabor, u.w.). Für eine bestmögliche patientenorientierte Versorgung werden diese Bereiche in Erdgeschoss und 1. Obergeschoss zusammengefasst. Diese zwangsläufig so angeordneten Funktionen definieren den „Fußabdruck“ des Krankenhaus-Sockels. Aus diesem Fußabdruck leitet sich die benötigte Grundfläche ab. Im Falle des geplanten Krankenhauses in Altenessen beträgt die benötigte Grundstücksfläche 28.500 Quadratmeter, die an diesem Standort nur inklusive des Kirchengrundstücks erzielt werden kann. Darauf sollen 725 Betten in vier Geschossen untergebracht werden. Diese im Wesentlichen bettenführenden Stationen sind aber für die benötigte Grundstücksgröße nicht relevant.
Neue Gemeinde-Kirche im Krankenhaus-Neubau
Die Planungen sehen vor, dass für die Gemeinde St. Johann Baptist eine neue Kirche in den Krankenhaus-Neubau integriert wird. Diese soll auch von außen als solche erkennbar sein und einen eigenen Eingang vom Karls- oder Johanniskirchplatz erhalten. Gemeinsam haben Pfarrgemeinderat und Contilia dafür plädiert, jetzt einen Fachausschuss ins Leben zu rufen, um Anregungen, Wünsche und Erwartungen zu sammeln und daraus eine gemeinsame Umsetzungsidee zu entwickeln. Die Gestaltung soll in jedem Fall in Abstimmung mit der Gemeinde geschehen. Neben dem Bau der Kirche will die Contilia durch weitere Maßnahmen das aktive Gemeindeleben unterstützen. Dazu soll die Gemeinde auch auf die Infrastruktur des Krankenhauses (z.B. Seminarräume) zugreifen können. Darüber hinaus engagiert sich die Contilia bei den erforderlichen Renovierungsarbeiten des Jugendheims St. Johann. Rau und Kalhöfer nahmen auch zur Frage nach möglichen alternativen Standorten des neuen Klinikums in Altenessen Stellung. So sei auch ein Neubau auf dem Grundstück „Emil Emscher“ geprüft und verworfen worden. „Emil Emscher“ ist planungsrechtlich ein Gewerbe- und Industriegebiet und daher für einen Krankenhausbau nicht zulässig. Mit Blick auf eine wachsende Verkehrsbelastung am Standort Johanniskirchstraße betonten die Contilia-Vertreter, dass in den Planungen für einen Neubau des Marienhospitals ein neues Parkhaus vorgesehen ist. Dieses soll im Westen des Grundstücks mit Zufahrt über die Johanniskirchstraße platziert werden, um so den Großteil des Krankenhaus-Verkehrs über die Gladbecker Straße – und eben nicht durch Altenessen – zu lenken.
„Schmerzhafter Graben“ in der Pfarrei
In verschiedenen weiteren Gesprächsforen, vor allem aber auch im zweiten Plenums-Gespräch am Ende des Abends wurde neben vielen Sachfragen vor allem eine große Betroffenheit der anwesenden Katholiken deutlich, dass es über die Standort-Diskussionen zu einem so großen Bruch in der Pfarrei gekommen sei. Von einem „schmerzhaften Graben“ zwischen Sympathisanten und Gegnern der Entscheidung des Kirchenvorstands war mehrfach die Rede, verbunden mit der Einschätzung, dass jeder Einzelne im bewussten Gespräch mit Pfarr-Angehörigen, die womöglich eine andere Einschätzung vertreten, aber auch die Pfarrgemeinde als Ganzes Verantwortung dafür trügen, diesen Graben zu überwinden. Auch ein Vertreter der „Rettet St. Johann“-Initiative konstatierte, dass „sicher doppelt so viel Energie im Raum“ gewesen wäre, wenn auch die Besucher der von der Initiative parallel angesetzten Mahnwache zur Pfarrversammlung gekommen wären und dort mitdiskutiert hätten. Bei der Mahnwache hatten ab 19:00 Uhr zahlreiche Gemeindemitglieder mit Kerzen eine Menschenkette von der Kirche zum Krankenhauseingang geformt und anschließend auf dem Johanniskirchplatz mit Gebeten und Gesängen für den Erhalt der bisherigen St.-Johann-Baptist-Kirche bei gleichzeitigem Ausbau des Krankenhauses geworben – ein Plan, den die Contilia-Vertreter in ihrem Gesprächsforum bei der Pfarrversammlung mit Hinweis auf die zwingend benötigte Grundstücksfläche ausgeschlossen haben.
Insbesondere der Pfarrgemeinderats-Vorsitzende Michael Rüsing erinnerte zudem an die anstehende Fusion mit der Nachbarpfarrei St. Nikolaus, die in den nächsten zwei Jahren zu bewältigen ist. Diese Herausforderung gerate aktuell in unangemessener Weise in den Hintergrund.
So stand am Ende der Pfarrversammlung neben der Bekräftigung der laufenden Prozesse vor allem der Wunsch, pfarreiweit im Dialog zu bleiben. Ausdrücklich nahm Pfarradministrator und Dompropst Thomas Zander daher das Gesprächsangebot der Initiative „Rettet St. Johann“ an und sagte eine zeitnahe Terminabstimmung zu.
Die Ergebnisse aller Gesprächsforen der Pfarrversammlung werden in den kommenden Tagen in einer Dokumentation zusammengefasst und hier veröffentlicht.
Text: Thomas Rünker (Bistum Essen)
Fotos: Christian Demski