Foto: Alexandra Roth (Bistum Essen)
Mit dem Krankenhausprojekt in Essen-Altenessen und dem Verkauf der Pfarrkirche St. Johann Baptist ist kaum jemand so eng verbunden wie Marcus Klefken, Leiter des Dezernats Kirchengemeinden im Bistum Essen. Im Interview spricht er über die Erfahrungen der vergangenen Monate, den Vorwurf, das Bistum habe die Pfarrei unter Druck gesetzt, und die Perspektiven angesichts des geplanten Verkaufs der Katholisches Klinikum Essen GmbH.
Seit mehr als einem Jahr begleitet Marcus Klefken, Leiter des Dezernats Kirchengemeinden im Bistum Essen, die Altenessener Pfarrei St. Johann Baptist bei den Gesprächen und Verhandlungen über den Verkauf ihrer Pfarrkirche zu Gunsten eines neuen Krankenhauses mit einer neuen Kirche für die Gemeinde. Eigentlich war seit dem Kaufvertrag im Mai 2019 alles klar: Das Grundstück von Kirche, Pfarrzentrum und Pfarrhaus wechselte samt Gebäuden für 1,1 Millionen Euro an die Katholisches Klinikum Essen (KKE) GmbH, bis zum Herbst sollte das bisherige Marienhospital leergezogen werden, um im nächsten Jahr nach Abriss von Klinik und Kirche mit dem Neubau zu beginnen. Doch vor wenigen Wochen hat die KKE-Eigentümerin Contilia angekündigt, die Essener Krankenhausgruppe verkaufen zu wollen. Damit pausiert das Projekt derzeit zumindest. Im Interview mit Thomas Rünker aus der Bischöflichen Pressestelle spricht Klefken darüber, wie sich dieses Wechselbad für Kirchengemeinde und Bistum anfühlt – und wie es jetzt weitergehen kann. Sein Fazit: „Die weiteren Planungen hängen vom Käufer ab.“
Thomas Rünker: Herr Klefken, Sie haben im vergangen Jahr den Verkaufsprozess des Kirchengrundstücks als Vertreter des Bistums begleitet. Nun plant die Contilia, das Katholische Klinikum Essen zu verkaufen …
Marcus Klefken: Ja, die Nachricht hat mich überrascht und auch bewegt.
Rünker: Bewegt?
Klefken: Die Diskussionen um den geplanten Neubau und die konkreten Pläne der Contilia, die einen Abriss der Kirche St. Johann Baptist vorsehen, sind doch an niemandem spurlos vorüber gegangen. Beide Positionen, die der Kritiker der Planungen ebenso wie die der Befürworter des Neubaus, haben ihre Berechtigung. Und ich weiß aus unmittelbarem Erleben, dass es sich der Kirchenvorstand mit der Entscheidung, den Neubau in der vorliegenden Planung zu unterstützen und damit einen Abriss der Kirche in Kauf zu nehmen, nicht leicht gemacht hat.
Rünker: Aber ist ihre Antwort nicht wieder typisch? Sie spitzen das Thema auf die Frage Krankenhausneubau oder Kirchenabriss zu, dabei spricht sich die Initiative Rettet St. Johann doch gar nicht gegen ein neues Krankenhaus aus, sondern fordert lediglich die Anpassung der vorliegenden Planungen, um die Kirche erhalten zu können…
Klefken: Das stimmt. Ich will die Argumentation auch gar nicht verkürzen und sagen: Hier sind die Befürworter eines neuen Krankenhauses, dort sind die Gegner. Tatsache ist aber: Die Planung der Contilia sieht eben vor, dass die gesamte Fläche für einen funktionalen Krankenhausneubau und nicht nur ein Teil der Fläche benötigt wird…
Rünker: …so dass die Kirche auch einem Parkhaus weichen soll…
Klefken: So sieht die bisherige Planung das vor, ja. Aber ich will und kann das Konzept inhaltlich auch gar nicht verteidigen. Gleichwohl hat sich das Bistum die Planungen auch von einem Dritten darstellen und erklären lassen. Niemand hat hier leichtfertig etwas abgenickt.
Rünker: Trotzdem hat sich das Bistum für das Contilia-Projekt stark gemacht und es gibt Stimmen, die behaupten, hier sei Druck auf den Kirchenvorstand (KV) ausgeübt worden.
Klefken: Moment, das sind zwei verschiedene Punkte. Um das jedoch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Es ist absurd, zu glauben, das Bistum hätte hier Druck auf den Kirchenvorstand ausgeübt. Das ist purer Unsinn und damit tut man auch den KV-Mitgliedern erhebliches Unrecht.
Rünker: Aber das Bistum hat die Planungen doch unterstützt.
Klefken: Ja. Weil Contilia ein Konzept vorgelegt hatte, welches erhebliche Investitionen in die Verbesserung und Neuausrichtung der Gesundheitsvorsorge der Menschen im Essener Norden vorsah. Das Bistum hat hier auch eine Verantwortung für die Menschen im Norden insgesamt und daher haben wir uns als Bistum den Planungen nicht verschlossen. Trotzdem, und darauf lege ich Wert, insbesondere mit Blick auf die handelnden Personen, hat hier niemand Druck ausgeübt. Und mit Blick auf den Kirchenvorstand kann ich nur sagen: Es gab in dem Prozess der Entscheidungsfindung ein intensives Ringen, ein stetes Abwägen der Pro- und Contra-Argumente.
Rünker: Die Initiative Rettet St. Johann wirft dem Bistum vor, sich auf die Seite des Kirchenvorstands gestellt und ausgerechnet diejenigen, die Kirche mit Leben füllen wollen, im Stich gelassen zu haben. Was sagen Sie dazu?
Klefken: Aus unserer Verantwortung heraus haben wir uns hinter das Vorhaben gestellt. Wir konnten in dem Prozess aber nicht die Rolle einer unabhängigen und vermittelnden Instanz einnehmen. Insofern verstehe ich den Vorwurf sehr gut. Die sehr hart geführten Diskussionen innerhalb der Pfarrei und die Entzweiung, die stattgefunden hat, haben uns aber sehr geschmerzt. Regelrecht schockiert bin ich über die teilweise sehr persönlichen Angriffe.
Rünker: Wenn Sie nun auf die Entscheidung der Contilia schauen, die KKE verkaufen zu wollen: Stehen Sie damit nicht vor einem Scherbenhaufen?
Klefken: Der beabsichtigte Verkauf der KKE kann doch jetzt nicht dazu führen, dass man sich wegduckt und so tut, als hätte man seine Position geändert. Nein! Wir sehen im Bistum ebenfalls die Notwendigkeit, die Gesundheitsversorgung im Essener Norden neu auszurichten. Und die seinerzeit von Contilia und KKE vorgelegten Planungen waren Grundlage unseres Engagements. Die Planungen boten also eine große Chance, hier etwas Neues zu schaffen: ein modernes Krankenhaus in christlich-katholischer Trägerschaft und einer neuen Gemeindekirche.
Rünker: Von dieser Vision ist nichts mehr übrig…
Klefken: Sie umzusetzen, wird möglicherweise schwieriger.
Rünker: Möglicherweise?
Klefken: Weder Kirchenvorstand noch Bistum haben in der Hand, ob und in welcher Form die bestehenden Planungen umgesetzt werden. Das neue Krankenhaus sollte von der KKE gebaut werden. Nun will sich Contilia von der KKE trennen. Es wird also dem neuen Eigentümer obliegen, die Planungen zu prüfen und dann zu entscheiden, ob und gegebenenfalls wie er diese weiter verfolgt.
Rünker: Zieht die Pfarrei jetzt nicht den Kürzeren?
Klefken: Wenn sich die Frage auf den Kaufvertrag bezieht: Nein. Hier sind die Zusagen gegenüber der Pfarrei grundbuchlich abgesichert. Auch ein eventueller Käufer der KKE muss sich daran halten. Insofern entstehen aus dem bloßen Verkauf heraus keine Risiken.
Mir ist aber auch die Formulierung zu kurz gesprungen. Hier geht es doch um weit mehr als um vertragliche Absicherungen. Die Entscheidung zugunsten des Krankenhausprojektes sollte doch auch eine Perspektive schaffen für ein lebendiges christliches Miteinander in Altenessen. Nun die Diskussion zu verkürzen auf „Kommt das Krankenhaus oder bleibt die Kirche?“, halte ich zwar für verständlich und für nachvollziehbar, lässt aber die vielfältigen Erwartungen und Chancen außer Acht, die mit den Planungen verbunden waren.
Rünker: Sie sprechen bereits in der Vergangenheitsform.
Klefken: Weil weder Bistum noch Kirchenvorstand wissen, mit welchem Ergebnis der geplante Verkauf enden wird und wie sich ein möglicher neuer Eigentümer zu den vorliegenden Neubau-Plänen verhält.
Rünker: Es gibt Stimmen, die behaupten, die derzeitige Entwicklung sei vorhersehbar gewesen…
Klefken: Tja, das ist das Privileg derer, die im Nachhinein behaupten, sie hätten vorher bereits alles gewusst.
Rünker: Aber der Verkauf der KKE fällt doch nicht vom Himmel.
Klefken: Sicher nicht. Aber Fakt ist auch: Contilia hat die Planungen vorgelegt und den Kaufvertrag erst vor acht Monaten unterzeichnet. Das spricht für sich.
Rünker: Das Bistum soll aber frühzeitig von Contilia über die Verkaufsabsichten informiert worden sein?
Klefken: Contilia hat das Bistum im Dezember vergangenen Jahres über die angespannte wirtschaftliche Lage der KKE GmbH informiert. Auf Wunsch der Geschäftsführung waren diese Informationen vertraulich, auch, weil man zunächst weitere Optionen prüfen wolle. Das ist eine übliche Vorgehensweise und daraus nun zu konstruieren, dass Bistum sei frühzeitig informiert gewesen, halte ich für abenteuerlich.
Rünker: Wie geht es jetzt in dem Verkaufsverfahren weiter und wann wird die Pfarrei Klarheit haben?
Klefken: Contilia möchte das Verkaufsverfahren möglichst bald abschließen. Man wird dann sehen müssen, ob sich ein Käufer findet, wer dieser sein wird und welche Planungen dieser verfolgt.
Rünker: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die Kirche letztlich stehen bleibt?
Klefken: Ich halte nichts davon, darüber zu spekulieren…
Rünker: Die Initiative bereitet eine weitere Klage vor, um den Abriss der Kirche letztlich zu verhindern
Klefken: Ja, sie stützt sich dabei im Wesentlichen auf die damalige Schenkung der Kirche durch Herrn Lindemann. Jetzt bemüht sie einen Ur-Ur-Ur-Enkel des Stifters, den sie offensichtlich dafür gewinnen konnte, für den Erhalt der Kirche einzutreten.
Rünker: Hier sind also längst noch nicht die Würfel gefallen?
Klefken: Ich will mich mit einer konkreten Bewertung zurückhalten. Bislang waren die unterschiedlichen Bemühungen der Initative, rechtlich gegen den Verkauf vorzugehen, jedoch nicht erfolgreich. Meiner Ansicht nach könnte es nun hilfreich sein, den weiteren Gang der Dinge im Verkaufsverfahren abzuwarten.
Rünker: Sie empfehlen der Initiative, die Füße still zuhalten?
Klefken: Ich bin hier ‚parteiisch‘ und insofern steht es mir nicht zu, Ratschläge zu geben. Aber es liegt auf der Hand, dass es klug sein könnte, erst einmal abzuwarten, was aus den ursprünglich vorgelegten Planungen wird.
Rünker: Danke für das Gespräch.