Der Gedanke des häufigeren Kommunionempfangs wurde unter dem Pontifikat Pius X. (1903 bis 1914) engagiert aufgegriffen und verbreitet. Zur Umsetzung in die Praxis bedurfte es allerdings noch einige Zeit. Erste Ansätze dazu gab es bei uns schon recht früh, wie die Chronik an einigen Stellen erkennen lässt. Zunächst wurden die Kinder dazu angehalten, alle vier Wochen zur Beichte und zur Kommunion zu gehen. Nach und nach griff dieser „Vierwochen-Rhythmus“ auf die Vereine über. Außerdem nahm der erste Pfarrer Becher besondere Jubiläen der Kirche, Päpste, Heilige, aber auch eigene wie Priesterjubiläen, Pfarrjubiläen zum Anlass, eine „Generalkommunion“ für die gesamte Gemeinde abzuhalten, natürlich verbunden mit einer Generalbeichte. Zahlenangaben sind leider nicht vorhanden, wohl aber die häufige Anmerkung „sehr gute Beteiligung“.
Reizwort „Christenlehre“
Religions- und Beichtunterricht nahmen einen breiten Raum in der pastoralen Arbeit ein. Die Schulkinder waren neben der Sonntagsmesse und zwei Schulmessen in der Woche zum Besuch der Christenlehre am Sonntagnachmittag um 15.00 Uhr verpflichtet. Das führte in zunehmendem Maße zu Konflikten mit den Schülern, die just um die gleiche Zeit das Fußballspiel der Spielvereinigung Schonnebeck sehen wollten oder selbst spielen mussten. Wie die Älteren erzählen, wurde mit allen Tricks versucht, sich beim Aufrufen der einzelnen Namen in der Kirche durch andere vertreten zu lassen und so der Christenlehre fernzubleiben. Der den Älteren noch bekannte Kaplan Flatten, selbst ein Fußballanhänger, machte es im Gegensatz zu Pfarrer Becher immer auffallend kurz mit der Christenlehre. Er hat übrigens eine DJK-Abteilung aufgemacht, die sich aber wegen des Übergewichts des Spielvereins auf Dauer nicht halten konnte.
Andachtswesen
Hohe Akzeptanz erlangte das Andachtswesen. Andachten zu den verschiedensten Anlässen des Kirchenjahres, zu Heiligen, zum allerheiligsten Altarssakrament, u.a., fanden sonntags oder in der Fastenzeit und zu anderen Gelegenheiten auch werktags immer am späten Nachmittag statt. Bei der allgemein und ringsum aufblühenden Marienverehrung zu Anfang des 20sten Jahr-hunderts wurden die dazu eingerichteten Maiandachten sowie die Rosenkranzandachten im Monat Oktober in Schonnebeck sehr gut aufgenommen. Am 20. Mai 1909 wurde in unserer Kirche der neue Marienaltar eingeweiht. Eine Besonderheit bildete die „Salve-Andacht“ samstagabends, ein kurzer Gottesdienst zu Ehren der Gottesmutter (Salve Regina…) für alle Meßdiener, die nach der Andacht ihren Dienstplan für die kommende Woche erhielten.
Wallfahrten
Ebenfalls sehr beliebt waren die Wallfahrten, die nach der ersten Wallfahrt im August 1903 ab Juli 1904 regelmäßig auf den 3. Sonntag im Juli für alle kommenden Jahre festgelegt wurden. In all den Jahren ging es von Schonnebeck zu Fuß nach Steele, von da aus mit der „Eisenbahn“ nach Neviges. Jahrzehntelang lag die Beteiligung immer zwischen 380 bis 400 Personen. Unseren älteren Messdienern kamen die Prozessionen nach Steele, dann in Neviges fast wie Bußgänge vor, denn sie hatten die zum Teil schweren Fahnen zu tragen.
Fronleichnam
Von den aus dem 19. Jahrhundert überkommenen Frömmigkeitsformen hatte die Anbetung und Verehrung des Altarssakramentes in der breiten Schicht des Volkes einen wichtigen Platz eingenommen. Diese Praxis fand ihren höchsten Ausdruck in den Fronleichnamsprozessionen. Bis zum Jahre 1903 hatten sich die Katholiken Schonnebecks der Prozession in Stoppenberg angeschlossen. Die erste Fronleichnamsprozession in Schonnebeck zog am 2. Juni 1904 durch die Straßen; durch welche, wissen wir heute nicht. Immerhin muss der Weg nicht gerade kurz gewesen sein, denn die von damals erhaltenen Liedzettel und Notenvorlagen für den Chor weisen vier Segensstationen aus, und in der Chronik wird eine über zwei Stunden dauernde Zeit bis zur Kirche angegeben. Nach mündlicher Überlieferung „marschierten“ viele, überwiegend die Männer, nach Beendigung der Prozession unter den Klängen der Blasmusik zu Mölken (später Timpe, heute Medaillon), um sich an erfrischenden Getränken zu laben. Am frühen Nachmittag trafen sich die Familien mit ihren Kindern zum fröhlichen Beisammensein in dem seinerzeit noch vorhandenen Biergarten.
Trotz vieler Zweifel von Seiten einiger Theologen, trotz häufig schwankender Teilnehmerzahlen, trotz widriger Umstände in den Kriegsjahren des Zweiten Weltkriegs hat sich die Tradition der Fronleichnamsprozession in Schonnebeck gehalten, ja, sie ist auf dem besten Wege, wieder neu entdeckt zu werden, sogar als notwendiger denn je erkannt zu werden.
Missionen und Exerzitien
Große Bedeutung erlangten die Gemeindemissionen und die Exerzitienbewegung, die der Glaubensvertiefung und der Gewissensbildung im christlichen Geist dienten. Die erste Mission wurde hier im Jahre 1913, getrennt für die Einheimischen im Mai, für Polen im September, gehalten. Weitere Missionen fanden 1915 für Frauen und Jungfrauen, 1919 für Polen und Einheimische sowie 1927 für die gesamte Gemeinde statt. Geleitet wurden diese Veranstaltungen von Franziskanerpatres. Sie müssen wohl mit besonderen Geistesgaben und rhetorischen Fähigkeiten ausgestattet gewesen sein, denn in der Chronik lesen wir von einer sehr guten und starken Beteiligung der Schonnebecker zu diesen Anlässen. Die Exerzitien fanden Eingang und Verbreitung über die Vereine und Gruppierungen. Im ersten Jahrzehnt von Jesuiten geleitet – hatte doch Ignatius von Loyola diese Art der Vertiefung christlichen Lebens durch „heilige Übungen“ begründet – kamen 1903 die Jünglinge, 1905 die Jungfrauen, 1908 die Männer und Jünglinge zu den in der Regel eine Woche dauernden geistigen Unterweisungen zusammen. Diese Beispiele machten Schule. Neben den bereits genannten Frauen und Männern machten es sich der Kirchenchor, der Männerverein, die Ehrengarde zur Pflicht, im Abstand von einem bis zwei Jahren „ihre Exerzitien“ zu halten.
In den 20er Jahren stieg die Zahl der Teilnehmer an den Exerzitien noch einmal sprunghaft an. 1931 lesen wir in der Chronik: „Religiöse Woche für Männer und Jünglinge, Pater Jacobus, OFM“. Das deutet schon die – in der Jugendpastoral entwickelte – Form der Einübung ins geistliche Leben an, die der Mentalität von Jugendlichen und Schülern angepasst war. Sie führt später zu den religiösen Besinnungstagen, Einkehrtagen, Freizeiten, die nicht mehr dem strengen jesuitischen Vorbild entsprachen, aber ebenfalls wie die Exerzitien regen Zulauf hatten.
Firmung
Höhepunkte kirchlichen Lebens waren die Tage, an denen ein Bischof die Gemeinde besuchte, um die Firmung zu spenden. Ein besonderes Ereignis muss wohl der erste Besuch eines Bischofs – es war Kardinal (!) Fischer aus Köln – in Schonnebeck am 16. Oktober 1907 gewesen sein. Die Firmungsfeier fand zwar in Stoppenberg statt, aber zunächst hielt der Kardinal „Visitation“ hier in Schonnebeck, d.h., Durchsicht der Kirchenbücher, Gespräch mit dem Kirchenvorstand und Anderen.
Lesen wir weiter in der Chronik: „Besuch des Herrn Cardinals Fischer und Empfang bei Winkelhofer (heute: Zur Post, Ecke Ophoff-Huestraße). Katechese, Visitation, Abendessen. Illumination der Kerzen. Wagen-zug mit Fackeln nach Stoppenberg, ca. 10 Wagen und 10 Reiter. Cardinal Fischer zum Ab-schluß des Tages: ‘Es war alles sehr schön.'“
Die erste Firmung in der neuen Schonnebecker Kirche war am 22. Oktober 1912, die zweite am 11. Oktober 1914. Von da an wurde im Abstand von fünf Jahren 1919, 1924, 1929, 1934 die Firmung gespendet.
Franziskanerinnen in Schonnebeck
Zur Unterstützung und Verstärkung der Karitas, der Armen- und Krankenpflege, hatten wir im Jahre 1908 das Glück, dass Franziskanerinnen aus dem Mutterhaus Olpe am 8. Juni eine Schwesternniederlassung in Schonnebeck gründeten. In der Zeit, da es noch keine mit heute vergleichbare Sozialgesetzgebung gab und die Lösung sozialer Probleme durchweg der christlichen Nächstenliebe überlassen blieb, war der Einsatz der karitativ tätigen Schwestern besonders wichtig. Aus dieser Kongregation rekrutierten sich auch die Schwestern, die noch im gleichen Jahre sich der Kleinsten annahmen und in der Heinrichstraße (heute Hausdykerfeld) die erste, etwas später in der Saatbruchstraße die zweite „Kinderbewahrschule“ aufmachten. Die offizielle Bestätigung durch die staatliche Behörde erfolgte erst am 1. Juni 1910.