Die neunte Orgel-Literatur-Nacht in Sankt Joseph
Am Freitag, den 18. November, dem bundesweiten Vorlesetag, konnten wir in unserer Pfarrkirche viele interessierte Besucher begrüßen, die sich auf fantastische Texte, auf dazu passende Orgel-Improvisationen, auf ausgesuchte Bilder und auf eine stimmungsvoll ausgeleuchtete Kirche freuten.
Fantasie, die Bezeichnung für die kreative Fähigkeit des Menschen, Vorstellungen und damit eine „Innenwelt“ zu erzeugen, vor allem innere Bilder, stand als thematischer Oberbegriff über dem Abend. Und damit war mehr gemeint als nur das, was man seit der Mitte des 20. Jahrhunderts unter der Überschrift „Fantasy“ kennt.
Auch in diesem Jahr war ein Team von Technikern und Dekorateuren schon am Vortag tätig. Sie installierten insgesamt vier Computer, acht Beamer, statteten den Platz für die Vorleserinnen und den Vorleser passend zum Thema des Abends aus, bereiteten die Beleuchtung vor und bauten die Imbiss-Stationen auf.
Die folgenden Fotos zur Orgel-Romatik-Nacht wurden von Stefan Guntermann gemacht und freundlich zur Verfügung gestellt (Ausnahmen sind gekennzeichnet).
Die drei von Frau Hirsch-Bicker ausgesuchten Organisten erfüllten wieder auf großartige Weise die Erwartungen des Publikums und die Vorleserin und die Vorleser trugen engagiert und gekonnt die ausgesuchten Texte des Abends vor. (Nähere Angaben zu den Ausführenden finden Sie in diesem Bericht zur Vorankündigung.)
Der erste Teil des Abends stand unter dem Thema „Von Nacht und Dunkel“ und der zugehörige Text stammte aus dem Jahr 1952 und wurde von dem damals erst 30-jährigen Schweizer Autor Friedrich Dürrenmatt geschrieben. Seine Kurzgeschichte „Der Tunnel“ repräsentiert eine eher düstere Seite der Fantasie. Dabei fängt sie doch so harmlos an …
Martin Neuhaus trug den sprachlich anspruchsvollen Text gekonnt vor, und Dr. Christian Vorbeck unterlegte die Geschichte mit der passenden Musik, um die Kurzgeschichte auch zu einem musikalischen Erlebnis werden zu lassen. Als Illustrationen wurden auf der Leinwand Fotos von und aus diversen Tunneln in schwarz-weiß gezeigt und zum Ende ein kurzer Film, der mit grafischen Elementen den Sturz in die Tiefe beklemmend darstellte. Großer Applaus am Ende!
In der anschließenden Pause konnten sich alle an den Imbiss-Stationen bedienen.
Der zweite Durchgang wurde von Stefanie Hilgert, die als überzeugende Erzählerin von Anfang an die Orgel-Literatur-Nächte mitgestaltet, und von Alexander Grün an der Orgel bestritten. Diesem galt der besondere Dank der Veranstalter, da er kurzfristig für den erkrankten Simon Daubhäußer eingesprungen war.
Drei lyrische Texte waren zum Thema „Auf Moor und Heide“ ausgesucht worden. Es begann mit der Ballade „Der Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe. Bilder und Stiche aus drei Jahrhunderten illustrierten den Text. Als zweites wurde „Der Knabe im Moor“ von Annette von Droste-Hülshoff gelesen. Obwohl der Text schon 180 Jahre alt ist, zeigte sich seine Aktualität auch darin, dass die Bilder, die dazu gezeigt wurden, aus einem Zeichentrickfilm von Studierenden der Hochschule für Medien in Stuttgart aus dem Jahr 2008 stammten. Den dritten Beitrag bildete die „Regenballade“ von Ina Seidel, in dem ein etwas schauriges Erlebnis im Wald „Schnatermann“ bei Rostock geschildert wird, das aber, anders als der „Tunnel“, gut ausgeht. Gezeigt wurden zu diesem Text unterschiedlich Wald- und Nebel-Fotos.
Die Klänge, die Alexander Grün zu dieser zweiten Einheit auf der Orgel zauberte, waren atemberaubend. Seine Regengeräusche ließen die Zuschauer schon befürchten, dabei nass zu werden. Dankbarer und lang anhaltender Applaus zeigte, dass auch der zweite Teil dem Publikum sehr gefallen hat.
Im dritten Teil gelangte der Abend dann doch zur Fantasy und sogar zu dem, der von vielen als der Vater diese Genres bezeichnet wird: John Ronald Reuel Tolkien, ein britischer Schriftsteller und Philologie-Professor schuf mit seinem Roman „Der Herr der Ringe“ eines der erfolgreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts. Eine Sequenz aus der Romanvorlage, die in der Verfilmung nicht vorkommt, bildete die Grundlage für den dritten Teil des Abends, und weil sie im „Alten Wald“ spielt, hieß der letzte Teil des Abends auch „Vom Alten Wald“. Und weil – anders als Peter Jackson – viele andere Künstler den Helden dieses Ausschnitts nicht umgangen haben, konnten als Illustrationen viele Bilder vom „Alten Weidenmann“ und von „Tom Bombadil“ gezeigt werden.
Gelesen wurde der Text von Daniel Fleer (einem großen Tolkien-Fan) und an der Orgel ließ Michael Störmer die Atmosphäre des Alten Waldes lebendig werden. Und wer genau zuhörte, konnte immer wieder Anklänge an die berühmte und mehrfach Oscar- und Grammy-prämierte Filmmusik von Howard Shore erkennen.
Zum Schluss bedankte sich Simone Hirsch-Bicker bei allen Ausführenden. Leider war der Besucherandrang in diesem Jahr nicht ganz so zahlreich wie in den Vorjahren. (Das zeigte sich unter anderem daran, dass vom Imbiss einiges übrig blieb. Aber keine Sorge: Alle übrig gebliebenen Sachen konnten am folgenden Samstag dem Team vom Gabenzaun übergeben werden, so dass nichts verdorben ist.)
Der etwas schwächere Besuch in diesem Jahr soll aber nicht davon abhalten, im nächsten Jahr, genauer gesagt am 17. November 2023, die zehnte Orgel-Literatur-Nacht zu feiern, und zwar als Orgel-Traum-Nacht. Dabei wird als besonderes Jubiläums-Highlight der Niederländer Rogier Kappers mit seiner Glasorgel auftreten. Also: Save the Date!