Schutzengelkirche (Taufkapelle - Bildteppich)
Der Bildteppich (Lydia Jungmann, 1948), eine Dauerleihgabe des Kardinal-Hengstbach-Hauses wurde der Gemeinde zum Schutzengelfest am 2. Oktober 2007 feierlich übergeben. Der aus Frillendorf stammende Pfarrer Gerhard Blinne hat seinen Glauben an den Schutz, den Gott den Menschen durch seine Engel und Heiligen gewährt, ins Bild setzen lassen.
Ein Bildteppich mit einer besonderen Geschichte
Wer die Kirche Heilige Schutzengel in Essen-Frillendorf besucht, kann in der vorderen rechten Seitenkapelle einen bemerkenswerten Bildteppich entdecken. Die bewundernswerte kunsthandwerkliche Arbeit und die bildliche Gestaltung des Wandteppichs laden zum Verweilen ein und überraschen mit Details der besonderen Art.
Beachtlich sind die Lebendigkeit der Darstellung, die Vielfalt der Formen und das kostbare Material. Die Grundfarben des Bildteppichs sind schwarz (feierlicher Samt), grün und rot. Das Kostbarste ist das Gold, das von der Goldenen Madonna her das Ganze beherrscht und alles andere bis ins kleinste Detail mit Gold übersprüht.
Beachtlich sind auch die Techniken der Verarbeitung, die verschiedenen Stickarten und die Kordeltechnik, eine Spezialität der Künstlerin Lydia Jungmann. In der rechten unteren Ecke sieht man das Signum der Künstlerin „L J“ mit der Jahreszahl 1948.
Der aus Frillendorf stammende Pfarrer Gerhard Blinne (1910-1976) hat seinen Glauben an den Schutz, den Gott den Menschen durch seine Engel und Heiligen gewährt, ins Bild setzen lassen. Dank seiner schriftlichen Aufzeichnungen sind uns heute sowohl die historischen Umstände, als auch Blinnes Gedanken zu den verschiedenen Gestaltungselementen überliefert.
Darstellungen
Im Mittelpunkt des Bildes, alles beherrschend, thront die „Goldene Madonna“ aus dem Essener Dom. Sie wird flankiert von den Stadtpatronen Cosmas und Damian, stehend auf je einer kostbaren Blüte (dargestellt mit Salbgefäßen, Schwert und Palme des Martyriums).
Im Hintergrund fließt die Ruhr an Industrieanlagen vorüber und kennzeichnet mit den beiden Heiligen den Lebensraum.
Die Darstellungen zu Blinnes Lebensdaten beginnen im oberen Drittel mit der Taufe 1910. Der Bischof Nikolaus, Patron seiner Taufkirche, sitzt gleichsam wie auf einem Sessel auf der Nikolauskirche von Stoppenberg und überreicht einem Knaben (Legende!) eine goldene
Kugel. Sie ist hier gemeint als das große Gnadengeschenk der Taufe. Es folgen als Namenspatrone die beiden Bischofsgestalten Gerhard (dargestellt mit feierlichem Segensgestus) und Augustinus (dargestellt mit brennendem Herzen). Die Begegnung Augustinus mit dem Knaben, der sich bemüht, das Weltmeer auszuschöpfen (Legende!), ist hier am Ufer der Ruhr dargestellt.
Im unteren Drittel werden Blinnes Lebensdaten fortgesetzt mit einem Schutzengel, der einen Knaben geleitet. Dieser trägt Ziegelsteine herbei zum Bau der Schutzengelkirche in Frillendorf (in unvollendetem Zustand).
Blinne schreibt: ,,Die ganze Gemeinde und auch ich halfen aktiv am Bau des Gotteshauses mit. Hier habe ich meine Kindheit verbracht, die Sakramente empfangen und durfte auch hier meine Primiz feiern, nachdem ich am Fest der heiligen Theresia vom Kinde Jesu (kniend dargestellt) am 3.10.1939 die Priesterweihe empfangen hatte.
In der rechten unteren Ecke unter dem Signum der Künstlerin sieht man unter der Jahreszahl 1948 eine kleine russische Kirche. Der Engel Raphael, ich hatte ihn in Russland immer besonders verehrt, geleitet den jungen Tobias, (dargestellt mit einem Fisch) heim aus der Ferne und mich aus der Fremde Russlands zurück in die Heimat und zur priesterlichen Tätigkeit.“
An der oberen Kante des Teppichs zieht sich ein Schriftband vorbei, das im unteren Teil in einer Kurve weiterläuft. Es stammt aus dem Offertium (Liturgischer Gesang) der Kirchenweihmesse: ,,In simplicate cordis mei laetus obtuli universa“ – ,,In der Einfalt meines Herzens habe ich freudig alles Dir zum Opfer dargebracht“.
Historische Daten
Blinne schreibt: ,,Die Idee zu dieser Darstellung in einem Bildteppich entwickelte und verdichtete sich mehr und mehr während des Krieges in den langen Jahren der geistigen Öde und Verlassenheit Russlands, fern aller Kultur und Geborgenheit. Nach Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft trug ich meine Gedanken der Künstlerin Lydia Jungmann vor, die ich aus Essen – meiner Heimat – kannte.“
Lydia Jungmann war von der Idee begeistert und übernahm freudig den Auftrag. Dann aber kam die große Schwierigkeit der Materialbeschaffung und der Finanzierung.
Frau Jungmann tauschte von Blinne geliefertes Leinen gegen Samt ein, auch die Beschaffung der notwendigen Materialien unterlag der „Zeit des schwarzen Marktes“. Bezahlt wurde mit einem Wagen Deputatkohle, der mittels „Zigarettenwährung“ zur Werkstatt der Künstlerin nach Raesfeld geschafft wurde.
Nach einem halben Jahr war der Teppich, an dem drei bis vier Stickerinnen gearbeitet hatten, fertig und ging zuerst nach Köln auf die große Ausstellung, die anlässlich des 700-jährigen Dom-Jubiläums in den Messehallen stattfand. Es folgten bald Veröffentlichungen mit Bildern und Besprechungen in namhaften Zeitschriften, z.B. ,,Das Münster“, ,,Feuerreiter“.
Der Teppich befand sich zuletzt in Obhut des KardinalHengstbach-Hauses in Essen-Werden und kam schließlich, nach langjährigen Verhandlungen, nach Frillendorf. Als Dauerleihgabe wurde er am 2. Oktober 2007 zum Schutzengelfest feierlich der Gemeinde übergeben.
Text: Evelyn Valerius, CODA Pfarreimagazin Nr. 3, Dezember 2022