Ab 1980 bekamen die Überschüsse, die auf einem Sonderkonto angesammelt wurden, eine klar formulierte Zweckbestimmung, sie waren fortan für den Bau eines Pfarrzentrums bestimmt. In der Tat bildeten die ersparten Beträge denn auch eine gute Grundlage für die spätere Verwirklichung dieses Vorhabens.
Bewegte und bewegende Jahre
Vier Monate vor seinem regulären und ihm bereits genehmigten Ruhestand erlitt Pfarrer Kaiser im Januar 1986 einen schweren Schlaganfall, von dessen Folgen er sich nicht mehr erholen konnte. Der Zerfall der körperlichen Kräfte und das Schwinden der Sehfähigkeit endeten schließlich mit seinem Tod am Abend des 11. Oktober 1988. Nach den feierlichen Exequien in unserer Pfarrkirche fand unter reger Beteiligung der Gemeindemitglieder und der kirchlichen Verbände die Beisetzung in der Priestergruft neben Pfarrer Becher statt. Im Kondolenzbrief des Bischofs Franz Kardinal Hengsbach an die Gemeinde hieß es u.a.: „Fast 25 Jahre hat er in Ihrer Gemeinde segensreich gewirkt und ihr alle Liebe und Sorge zugewandt. Alle Aufgaben, die sich ihm stellten, hat er treu und gewissenhaft erfüllt.“
Der Nachfolger Leonhard Pilorz wurde am Dreifaltigkeitssonntag, dem 25. Mai 1986, in sein Amt eingeführt. Die Gemeinde bereitete ihm einen fröhlichen und herzlichen Empfang. Vom ersten Tage an entstanden viele neue Aktvitäten in der Gemeinde, die bereits vorhandenen Vereine und Gruppen bekamen neuen Auftrieb. Die Geschichte jener Jahre ist schwergewichtig von den Bautätigkeiten gekennzeichnet. In knapp vier Jahren, zwischen 1988 und 1992 wurden die Errichtung eines neuen Pfarrheims, die Erweiterung und Renovierung des Kindergartens, der Bau eines neuen Jugendheims in die Tat umgesetzt; der Höhepunkt war schließlich die Fertigstellung des Umbaus und der Renovierungsarbeiten an und in unserer Kirche sowie die feierliche Segnung der Chorraumeinrichtung und die Weihe des neuen Altares am 20. Dezember 1992.
Gut aufgenommen wurde dabei die Bereitschaft des Architekten Franz-Josef Gierse, die Gemeinde mit in den Planungs- und Bauprozess aller Projekte einzubeziehen, Wünsche und Anregungen aufzunehmen. Hier sei noch einmal kurz an einige Tage aus der Bauphase erinnert, die mit schönen Festen verbunden waren:
2. Juli 1988: Grundsteinlegung für das Pfarrheim, die Kupferhülse mit Urkunde wird eingemauert.
4. September 1988: Richtfest, „kleines“ Pfarrfest der ganzen Gemeinde. Kinder des Kindergartens führen bunt kostümiert ein Spiel der alten Bräuche der Bauhandwerker auf.
9. bis 11. Juni 1989: Einweihung des Pfarrheims und des Kindergartens werden in ein großes Pfarrfest eingebunden. Am 10. Juni um 10:00 Uhr Pontifikalamt mit Bischof Franz Hengsbach, anschließend Festakt im neuen Pfarrheim.
20. Dezember 1992: Wiedereröffnung der renovierten Kirche: Bischof Hubert Luthe zelebriert das Pontifikalamt um 10:00 Uhr.
„Ihr könnt stolz auf Eure Kirche sein!“
So äußerten sich viele fachkundige Leute des Bistums. Und in der Tat: Die Symbiose zwischen Neugotik und zeitgemäßer Innenausstattung und Gestaltung des Kirchenraums ist großartig gelungen. Getreu dem Grundgedanken, dass Kirche nicht nach dem Gottesdienst an der Kirchtür endet, wurde das, was mit den Pfarrfesten schon auf den Weg gebracht worden war, durch den gemeinsamen Neujahrsempfang der evangelischen und katholischen Gemeinde am 15. Januar 1989 erweitert. Zu diesem Anlass treffen sich seither die Gemeinden mit Vertretern aus dem politischen Leben, Vertretern der örtlichen und kirchlichen Vereine zu einem lockeren Beisammensein.
Auch die ökumenischen Kontakte wurden intensiviert. Schon anlässlich des Lutherjahres 1983 hatten Mitglieder unserer Gemeinde an einem sehr interessanten Seminar der evangelischen Gemeinde teilgenommen. Ab 1989 wurde ein ökumenischer Arbeitskreis aus Vertretern beider Gemeinden gegründet, der gemeinsame Veranstaltungen (z. B. gemeinsame Kreuzwegandachten, Adventssingen, Vortragsabende) vorbereitete und durchführte. Gut angenommen wurde auch das Einlegeblatt in den beiden Pfarrbriefen „N U L“ und „Tatsachen“, das der gegenseitigen Information diente und oft gute Anregungen für einen lebhaften Gedankenaustausch lieferte.
Von Papst Johannes Paul II. stammt diese Aussage: „Was uns verbindet, ist stärker als das, was uns trennt; was uns trennt, ist gering gegenüber dem, was uns verbindet.“ Dies ist den evangelischen und katholischen Christen in Schonnebeck bewusst, gemeinsam ist uns vor allem als Grundlage für alles Tun: der Glaube an Jesus Christus. Das Engagement im ökumenischen Dialog der letzten Jahrzehnte ist unwiderruflich.
Ein deutlich wahrnehmbarer Wandel trat ein in der Gottesdienstgestaltung, insbesondere mit Einführung der Familiengottesdienste. Farben, Zeichen, Symbole, Gesänge, zumeist inspiriert von den „Taizé-Gesängen“, wurden in die jeweilige Thematk der Messfeier eingebunden. Alles belebende Elemente, welche die zahlreichen Besucher in Bewegung hielt. Aber wie das so oft ist: Die einen hießen diese Form willkommen, die anderen lehnten sie ab, weil sie sich jeglicher Möglichkeit zur inneren Sammlung und Stille beraubt fühlten.
Im Pfarrgemeinderat wurden 1989 die bisherigen Sachausschüsse Caritas, Feste und Feiern, Jugend, Öffentlichkeitsarbeit (NUL) um die neuen Arbeitskreise Liturgie, Ehe und Familie, Mission, Ökumene und Neuzugezogene erweitert. Der Pfarrgemeinderat, erstmalig im Jahre 1968 vom Bischof als Organ des Laienapostolats im Sinne des II. Vatikanischen Konzils ins Leben gerufen, hat es im Laufe der Jahre vermocht, über die verschiedenen Sachausschüsse viele Gemeindemitglieder zur Mitarbeit zu gewinnen. Er ist seit seinem Bestehen zu einem wichtigen Motor in unserem Gemeindeleben geworden.
1989 feierte die Gemeinde ihr 90-jähriges Bestehen, gerechnet vom Tag des ersten Gottesdienstes in der Notkirche. Als Geschenk zu diesem Anlass wurde zum ersten Mal aus unserer Pfarrkirche ein Gottesdienst im Rundfunk übertragen. Die zahlreichen Reaktionen in den Hörerbriefen bezeugten uns, dass wir viele Menschen erreicht und ihnen tiefe Freude bereiten konnten. Viele riefen an und baten um Zusendung von Toncassetten des Rundfunk-Mitschnitts.
Im gleichen Jahr, am 23. September, führte uns eine Pfarrwallfahrt nach Marburg zur Grabeskirche der Hl Elisabeth. Zwei Pilger- und Studienreisen wurden zu beeindruckenden Erlebnissen. Die erste ging vom 8. bis 19. September 1992 in die Türkei, den Spuren des Hl. Paulus folgend. Bei der zweiten besuchten Schonnebecker Pilger das Heilige Land in der Zeit vom 13. bis 27. Oktober 1994, das Land von Juden, Christen und Muslimen, das Land der Verheißungen im Alten Testament und die Heimat Jesu – eine faszinierende Reise.