Existenznot und Seelsorge
Die ersten Jahre nach dem Zusammenbruch sind gekennzeichnet durch die Not. Lebensmittel waren kaum vorhanden, Wohnungen und Klei-dung fehlten, in Scharen einströmende Ostflüchtlinge verschärften die Lage. Das aus Nazizeiten bekannte Wort vom „Kohlenklau“ machte im Zusammenhang mit dem fehlenden Heizmaterial in der beißenden Kälte des Winters 1946/47 wieder die Runde. Der Schwarzmarkt blühte trotz strenger Verbote und ständiger Razzien, es wurde gehamstert und „organisiert“. Die Caritas vor Ort wie auch auf Stadtebene hatte alle Hände voll zu tun und leistete Großartiges. Der Pfarrer schreibt: „Wir gehen hin, trösten, helfen durch Spenden, Naturalien usw…“ Für die Kommunionkinder wurden umfangreiche Kleidersammlungen ausgerichtet; Stoffe, Jacken, Hemden, Strümpfe und Schuhe kamen in ausreichender Menge zusammen.
Die große Hilfsaktion des Winters 1946 erbrachte 25 Zentner Äpfel, 12 Zentner Bohnen, 24 Kisten Fisch, 60 Pfd. Gefrierfleisch, Bohnenkaffee, Holzschuhe (Klotschen). Nach mühseliger Verteilung wurden Flüchtlinge, Ausgebombte, alle Frauen über siebzig, Wöchnerinnen und ganze Straßenzüge bedacht. Enttäuscht heißt es in der Chronik: „Die Verteilung war mühselig, der Dank meist mäßig.“
Eine besondere Freude lösten die im Laufe des Jahres 1947 eintreffenden ausländischen Liebesgaben aus, mit denen alle Familien der Pfarre berücksichtigt werden konnten. Um das Gemeindeleben wieder in geordnete und normale Bahnen zu bringen, bedurfte es von Seiten der Pfarrgeistlichen schon besonderer Anstrengungen. Wenn auch niemand davon ausgenommen war, so galt doch die große Sorge der Einbindung und Reaktivierung der Männer und Jungmänner.
Viele ehemalige Soldaten hatten sich aufgrund der bitteren Erfahrungen im Krieg von der Kirche abgewandt. Andere scheuten die Bindung an eine kirchliche Organisation nach deren Zerschlagung im Dritten Reich. Hinzu kam, dass die Bischöfe sich der Bildung diözesaner Verbandszentralen alten Stils zunächst widersetzten. Was war zu tun? Der Pfarrer formuliert seine Antwort, was die Männer betraf, so: „Unser Königsproblem ist die Gewinnung der Männerwelt.“ Vom 18. bis zum 23. Februar 1946 wurde eine „Männerwoche“ abgehalten, an der ca. 350 bis 400 Personen jeden Abend zur Predigt erschienen. Noch im August des gleichen Jahres wurden die „katholischen Männer“ zusammengetrommelt, um das Nebeneinander der Männerkongregation und des Arbeitervereins zugunsten eines Arbeiter- und Männervereins zu beseitigen. Ziel war die Bündelung der Kräfte in einer Organisation, zu der Männer aller Berufsstände, ob Angestellte, Arbeiter oder Beamte ungehindert Zutritt haben sollten. Natürlich gaben einige auf, aber die Vereinigung gelang.
Allmählich normalisierte sich das Gemeindeleben. Einkehrtage für alle Gruppierungen der Gemeinde, Jugendwochen mit starker Beteiligung, eine große Frauenwoche mit rd. 500 Teilnehmerinnen, eine katholische Woche des Caritasverbandes seien stellvertretend für die zahlreichen pastoralen Aktivitäten in den Jahren 1946 bis 1950 genannt. Große Beachtung fanden auch die überpfarrlichen Bittgottesdienste in Duisburg, Oberhausen, Mülheim und Essen gemeinsam mit den evangelischen Christen. Nach der gemeinsamen Erfahrung im vergangenen Krieg, in dem es der „Bekennenden“ Evangelischen Kirche nicht anders ergangen war als der katholischen, wurde dieses Ereignis von allen als überfällig und notwendig empfunden.